Sonntag, 20. April 2014

Der Ursprung des Wappenwesens

Wenn man an das Mittelalter denkt und dabei die Eindrücke mitschwingen lässt, die Filme immer wieder vom Mittelalter vermitteln, dann gibt es vor allem eine Sache, die man sofort mit dem Mittelalter verbindet: den Ritter und wie er zu Pferd in seiner glänzenden Rüstung in einem Tjost, dem ritterlichen Lanzenspiel, gegen einen Turnierrivalen antritt. Und doch war bei der kämpferischen Ausstattung des Ritters nicht alles glänzend, sondern teilweise sogar unglaublich bunt und farbenfroh. Es handelte sich dabei um den mit dem Wappen des Ritters verzierten Schild. Wo diese Wappen ihren Ursprung fanden und welche Funktion diese erfüllten, das soll in diesem Aufsatz genauer dargestellt werden.

Die Lehre von Wappen und den dazugehörigen Zeichen wird in der Geschichtswissenschaft Heraldik genannt und erforscht die Entstehung, die Geschichte sowie die farbliche und formenhafte Gestaltung der Wappen.
Heute wird vermutet, dass die ersten verzierten Schilde, sei es nun durch Farbe oder Formen, mit den Kreuzzügen auftauchten bzw. zwischen der Zeit der Entstehung des Teppichs von Bayeux (1080-1082) und der Mitte des 12. Jahrhunderts. Auch wenn diese Datierung kontrovers diskutiert wird, so lässt sich dennoch auf dem Teppich von Bayeux, auf welchem Ritter, die an der Schlacht von Hastings 1066 teilgenommen haben, dargestellt sind, noch kein nachweisbares und dann erblich gewordenes Wappen erkennen. Für die Mitte des 12. Jahrhunderts liegen allerdings erste heraldische Zeichen vor. Die Wappen bzw. die Heraldik muss also in dieser Zwischenzeit entstanden sein. Eben zu dieser Zeit etablierte sich auch die Bezeichnung 'Wappen'. Diese ist zurückzuführen auf das mittelhochdeutsche Wort wâpen, welches ursprünglich nur eine Waffe bezeichnete. Mit dem Aufkommen der ersten heraldischen Zeichen auf den Waffen, speziell auf der Verteidigungswaffe Schild, vollzog sich ein Wandel weg von der Bezeichnung der Waffe hin zur Bezeichnung der Gesamtheit von Farben und Symbolen auf einer Waffe bzw. dem Schild.
Nasalhelm
Vorderansicht
Mit den Kreuzzügen hatten sich die Rüstungen der Krieger so verändert, dass diese eine immer geschlossenere Form annahmen. Dies lässt sich vor allem gut an der Entwicklung des Helms deutlich machen. Während die frühen Nasalhelme eine Identifikation ohne große Schwierigkeiten ermöglichten, so war die Identifizierung eines Ritters, der einen Topfhelm trug, kaum möglich, weil dieser den Kopf des Kriegers von allen Seiten umhüllte. Im Kampf war es dem einzelnen Ritter so nicht möglich, den Freund anhand des Gesichts vom Feind zu unterscheiden. Es wurde nun eine Möglichkeit gesucht, diese Unterscheidung in Kampfsituationen dennoch vornehmen zu können.

Topfhelm
Seitenansicht
Zudem erhob sich bei den Kreuzrittern vermutlich ferner das Bedürfnis, sich durch bestimmte Zeichen oder Farben als gemeinsam kämpfende Schar zu zeigen. Anders gesagt, da das Militärwesen auf der Grundlage des Lehnsrechts aufgebaut war, wollte der Lehnsherr die Ritter, die ihm im Kampf folgten, natürlich um sich versammelt wissen. Weil das Kampfgeschrei, als Mittel der Zusammengehörigkeit, unter den geschlossenen Helmen schnell überhört werden konnte, versammelte der Lehnsherr so sein ritterliches Gefolge unter seinem Banner, welches, weil es von weit hin sichtbar sein musste, farblich gestaltet war. Dieses Banner diente als Zeichen der Gemeinsamkeit. Es ist ferner anzunehmen, dass so auch die Ritter selbst eine Möglichkeit suchten, die Zeichen und Farben des lehnsherrlichen Banners zu tragen, um ihre Zugehörigkeit, aber auch Gemeinschaft auszudrücken.

Normannenschild
Zunächst bot nur der Schild des Kriegers mit seiner Großfläche die Möglichkeit, sich durch Farben und Symbole identifizierbar zu machen. Der Schild, der eben ursprünglich aus verleimten Brettern bestand, wurde mit Nägeln versehen, die von der Innenseite des Schildes nach außen geschlagen wurden, um so Halteriemen zu befestigen. Die Nägel wurden dann mit metallenen Plättchen verziert und nicht selten wurden dabei noch weitere Metallplättchen verwendet, um ein individuelles Muster auf dem Schild anzufertigen. Doch nicht nur Metall wurde bei der Verzierung verwendet, sondern auch Pergament, Leder und Stoffe, manchmal sogar Pelz. Auch das Normannische Schild, die klassische Schutzwaffe im 12. Jahrhundert, wurde mit verschiedenen Metallbeschlägen oder Stoffverzierungen versehen und nicht selten waren auch schon erste Bildzeichen erkennbar. Eines der wohl bekanntesten Zeichen dieser Zeit dürfte das Kreuz als signum commune (Gemeinschaftszeichen) der Kreuzritter sein. Noch vor dem Ausbruch des Dritten Kreuzzuges einigten sich beispielsweise Philipp II. von Frankreich, Heinrich II. von England und Graf Philipp I. von Flandern am 13. Januar 1188 darauf, dass ihre Ritter jeweils unterschiedlich farbige Kreuze als Schildzeichen tragen sollten. So kämpften die Franzosen mit einem roten, die Engländer mit einem weißen und die Flamen mit einem grünen Kreuz auf den Schilden. Aus der Kombination von Schild und Schildzeichen entwickelte sich so das Wappen.

Erst ab der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zum Ende des 15. Jahrhunderts, dass heißt mit dem Aufkommen der Turniertradition, wurde die Heraldik sowohl ein wichtiger und gelebter Teil der Höfe von Königen und Fürsten. Schon im 13. Jahrhunderts war der Besitz eines Wappen dann so populär, dass dieser Brauch von Vertretern der gesellschaftlichen Hierarchie übernommen wurde. Nicht nur Adlige und Bürger trugen jetzt Wappen, sondern auch Klöster, Städte und Bistümer entdeckten den Brauch für sich. Zudem sorgte das Plattnerhandwerk, welches im 14. Jahrhundert ins Leben gerufen wurde und bei dem es sich um das Schmiedehandwerk zur Herstellung von Rüstungen handelt, dafür, dass Schilde mehr und mehr ihre Aufgabe als Verteidigungswaffen im Kriegswesen verloren. Rüstungen wurden nun so robust und schützten den gesamten Körper, dass Schilde als Verteidigungswaffe nicht mehr gebraucht wurden. Diese wurden nun so verändert, dass die Zeichen besser und deutlicher angebracht werden konnten. Es fand also eine Entwicklung vom Kampf- zum Zierschild statt. 
Halbrundschild
Innerhalb dieser Entwicklung bildete sich im 15. Jahrhundert unter anderem auch der Halbrundschild heraus, der heute noch häufig bei der Darstellung von Landeswappen, Stadtwappen oder Wappen von Königshäusern vorzufinden ist. Zudem entstanden dadurch, dass die Ritter mehr und mehr die ursprünglichen Zeichen veränderten, persönliche und vollkommen individuelle Wappen mit so genannten gemeinen Figuren oder Heroldsbildern. Erst jetzt wurde die Gleichmäßigkeit der Wappen aufgegeben und erst jetzt wurde das Wappen zu einem persönlichen Zeichen.


Hier das Vollwappen der 'City of London': Weißer Schild mit rotem Georgskreuz und
rotem, aufrecht stehendem Schwert im heraldisch rechten (linken) Obereck. Auf dem
Schild ist ein Bügelhelm erkennbar, an dem ein silberner Drachenflügel als Helmzier
und eine silberne Helmdecke angebracht sind.

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