Sonntag, 11. Mai 2014

Die Entwicklung des Wappenwesens


Ab dem 13. Jahrhundert wandelte sich das Wappen mehr zum Persönlichkeitszeichen und gab seine vormalige Aufgabe als Gruppenzeichen oder Verteidigungswaffe sukzessive auf. Mit der aufkommenden Turniertradition im 12. und 13. Jahrhundert und der Zeit des europäischen Rittertums kann man zudem davon sprechen, dass nun innerhalb der Heraldik ein Wandel von der Kriegsheraldik zur Turnierheraldik vollzogen wurde, der einige Veränderungen mit sich brachte. 

Für die Turniere wurden Wappen für den Adel besonders wichtig und auch hier war es erneut das Problem der individuellen Identifikation, welches dafür sorgte, dass eine Entwicklung innerhalb der Heraldik einsetzte. Da Wappen nun erblich geworden waren, stand das Wappen als Persönlichkeitszeichen nicht mehr nur stellvertretend für eine Einzelperson, sondern als Familienzeichen für eine ganze Familie. Dadurch sah der Adel sich mit dem Umstand konfrontiert, dass mehrere Personen sowie auch mehrere Familien das gleiche Wappen führten beziehungsweise führen konnten. Dies war aber bei den Turnieren, die nur dem Adel zugänglich waren, nicht zugelassen, noch weniger gewollt. Um ein Wappen wieder in die Richtung des Persönlichkeitszeichens zu rücken, entstanden so im Laufe der Zeit mehrere heraldische Elemente, die zur Individualisierung des Wappens führten. Zu diesen Elementen zählt die Heraldik den Helm, die Helmzier und die Helmdecke; also genau die Bestandteile, die heute wie damals ein sogenanntes Vollwappen ausmachen.

Bügelhelm mit Helmzier auf
dem Wappen der 'City of London'.
Seit dem 13. Jahrhundert wurde neben dem Schild auch der Helm Teil des Vollwappens und diente der Identifikation einer Person. Aufgrund des Turnierwesens entwickelten sich mit dem Stech- und  Bügelhelm (Spangenhelm) zwei Helmformen, die vor allem an die Bedürfnisse des am Turnier teilnehmenden, adligen Ritters angepasst waren. Viel wichtiger ist jedoch, dass an dem Helm die Helmzier angebracht werden konnte und erst diese Tatsache machte den Helm letztendlich zu einem heraldischen Element. Unter Helmzier versteht man in der Heraldik die Verzierung des Turnierhelms in vielfältigster Form. Während die Hemlzier zuerst den individuellen Geschmack des Adligen zum Ausdruck bringen sollte, wurde sie doch schnell zum Unterscheidungsmerkmal von Individuen innerhalb einer Familie. Zunächst einmal war die Helmzier vor allem eins: auffällig, repräsentativ und prächtig. Erst im zweiten Schritt verfolgte der Adel die Absicht, mit der Helmzier Teile des Schildzeichens wiederaufzunehmen beziehungsweise die Schildfigur vielleicht sogar in Form der Helmzier zu wiederholen. Während die ersten Helmzierden vermutlich nur auf den Helm aufgemalt wurden, verwendete der Adel später mit Pappe, Federn, Holz oder Leder die unterschiedlichsten Materialien zur Ausschmückung des Turnierhelms. Manchmal wurden Helmzierden sogar derart kunstvoll ausgestaltet, dass erst eigens dafür hergestellte Draht- oder Holzkonstruktionen am Helm angebracht werden mussten. So lassen sich etwa Hörner, Federbüschel, Hirschgeweihe oder manchmal auch ein kompletter Tierrumpf beziehungsweise ein Tierkopf als Helmzier finden. Nicht ungewöhnlich waren auch Menschenköpfe, die aus den verschiedensten Materialien geformt wurden. Die Helmzier erlangte schon bald eine so große heraldische Geltung, dass in Deutschland um 1240 auch die Helmzier erblich geworden war.  Weiter zeigt die Helmschau, die vor einem Turnier von Herolden, die als Wappenkenner über die Teilnahme adliger Ritter am Turnier zu entscheiden hatten, die mittlerweile hohe Bedeutung des Helmes und der Helmzier. Bei der Helmschau mussten alle Ritter, die zur Teilnahme am Turnier neigten, ihre Helme für die Herolde zur Schau stellen und der Herold musste dann anhand seines Wissens die Helme mit der Hemlzier zweifellos einzelnen Personen zuordnen können. War eine individuelle Zuordnung nicht möglich, wurde der Ritter von der Teilnahme am Turnier ausgeschlossen.
Ein weiteres Element des Vollwappens entstand im 14. Jahrhundert mit der Helmdecke. Schon gegen Ende des 12. Jahrhunderts weisen Normannenhelme Merkmale auf, die darauf hindeuten, dass Stofftücher an diesen angebracht waren. Vermutlich hatte die Helmdecke zu dieser Zeit die Aufgabe, dem galoppierenden Ritter durch Umflattern Kühlung zu spenden. Warum die Helmdecke dann auch in der Turniertradition Verwendung fand, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vermutlich war es mehr die schmückende und modische Eigenschaft des farbigen Tuches, welches am Helm angebracht war, die den adligen Ritter dazu veranlasste, den Turnierhelm vor einem Tjost mit einem zusätzlich verzierenden Tuch oder Band zu versehen. Im 15. Jahrhundert wurde die Mode der Helmdecken so exzessiv betrieben, dass keine mantelartigen Decken mehr den Turnierhelm verzierten, sondern ranken- oder blätterartige Bänder.
Halbrundschild mit dreilätzigem
Turnierkragen als Beizeichen
Als weitere Individualisierungsmerkmale in der Heraldik lassen sich so genannte Beizeichen ausmachen, die zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert ihre Verwendung fanden. Dabei handelt es sich um bestimmte Zeichen, die dem Wappenschild hinzugefügt wurden, um Nebenlinien einer Familie zu kennzeichnen und diese von der Stammlinie, welche das Stammwappen führte, zu unterscheiden. Klassische Beizeichen, die in ein Wappen integriert wurden, waren etwa der Turnierkragen, der unterschiedlich viele Lätzen aufweisen konnte, der Schrägfaden oder die Bordüre.


Halbrundschild mit Schrägfaden
als Beizeichen
Es kann heute nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Annahme oder die Veränderung von Wappen in dieser Zeit bestimmten Regeln unterlag. Erst im 14. Jahrhundert erschienen die ersten Wappenbriefe, die von offizieller Seite, das heißt von herrschenden Fürsten, bestimmte Wappen an Einzelpersonen oder Familien verliehen. Auch wenn die Ausstellung von Wappenbriefen im 15. Jahrhundert erneut anstieg, bedeutet dies dennoch nicht, dass dadurch feste Regeln geschaffen wurden. Vor allem der Adel beziehungsweise der hohe Adel veränderte besonders zur Demonstration politischer Ansprüche das Wappen, wie es ihm beliebte.


Spätestens jetzt löste sich das Wappen auch vom Adel. Zwar hatten auch im 13. und 14. Jahrhundert schon Bürger, Städte und einige Bauern Wappen getragen, sich dabei aber allein auf den Wappenschild beschränkt, da Helm, Helmzier und Helmdecke dem Turnier ausführenden Adel vorbehalten waren. Viele Familien ließen sich nun jedoch ein Wappen mit Helm und Helmzier durch einen offiziell ausgestellten Wappenbrief bestätigen und aus dem Zeichen des Adels wurde vermehrt eine Art Auszeichnung durch den Herrscher.

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