Sonntag, 22. März 2015

Die Jungfrau von Orléans I – Aufstieg, Triumph und Gefangennahme

„Es traf, wie es schien durch die Hand Gottes, ein schwerer Schlag Euer dort bei Orléans zahlreich versammeltes Volk, meiner Ansicht nach hauptsächlich verursacht durch Aberglauben und blinde Furcht, welche ihm eine Schülerin und Anhängerin des Teufels, die Pucelle [Jungfrau] genannt, die von bösen Beschwörungen und Zauberei Gebrauch machte, eingeflößt hatte. Besagter Schlag und die Niederlage bedeuteten nicht nur einen großen zahlenmäßigen Verlust für Eure durch stehende Leute, sondern beraubten auch die Übriggebliebenen wunderbarlicherweise ihres Mutes.“
(Zitiert nach: Scheffel, Helmut, Vom Schlachtfeld zur Scheiterhaufen. Der Prozess der Jeanne d’Arc, in: Große Prozesse. Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte, hg. v. Uwe Schultz, München 1996, S. 103-113, S. 105.)

So berichtete der englische Regent, der Herzog von Bedford, seinem Neffen Heinrich VI., dem noch unmündigen König von England, im Mai 1429 vom Verlust der Stadt Orléans an die Franzosen. Am Sieg der französischen Seite war ein gerade 17-jähriges Mädchen aus dem Dorf Domrémy in Lothringen maßgeblich beteiligt, auf das Bedford in dem Brief als „Schülerin und Anhängerin des Teufels“ Bezug nahm: Jeanne d’Arc, auch bekannt als die „Jungfrau von Orléans“. Noch heute ist sie eine der bekanntesten Gestalten des französischen Mittelalters, wenn nicht sogar eine der bekanntesten historischen Frauengestalten überhaupt. Ihr Leben wurde in Kunst, Literatur und Film häufig rezipiert, aber auch von Königen und Politikern bis zum heutigen Tage zu Machtzwecken instrumentalisiert. Sie steht im Mittelpunkt dieser kurz!-Reihe.  



Im ersten Teil der Reihe liegt der Fokus vor allem auf Jeannes Herkunft und ihrem militärischen und politischen Wirken von der Eroberung Orléans über die Salbung des französischen Thronfolgers Charles VII. zum König bis hin zu ihrer Gefangennahme durch die Burgunder. Der zweite Teil befasst sich dann mit dem Ketzereiprozess, der mit einer Verurteilung der Jungfrau von Orléans endete und dem rund 20 Jahre später wieder aufgenommenen Revisionsprozess, in dem sie vollständig rehabilitiert wurde.

Jeanne wurde wohl 1412 in Domrémy, einem Dorf in Lothringen an der Grenze zu Burgund, geboren. Ihre Kindheit und frühe Jugend war von den Erfahrungen des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) zwischen Frankreich und England geprägt, der auch vor ihrem Heimatdorf nicht halt gemacht hatte. Frankreich war zu dieser Zeit grob in drei Einflussbereiche geteilt: in Süd- und Mittelfrankreich herrschte die königliche Familie der Valois, die Normandie gehörte zur englischen Machtsphäre und das Gebiet zwischen Somme und Loire sowie Paris standen unter dem Einfluss Burgunds. Bereits in ihrer Jugend begann Jeanne Stimmen von Heiligen zu hören, wie sie später selbst in ihrem Ketzereiprozess berichtete. Diese wurden zur entscheidenden Triebkraft ihres Handelns. Zunächst hielten die Stimmen sie zu einem gottgefälligen Leben an, was sich in einer intensiven persönlichen Frömmigkeit äußerte; dann jedoch befahlen sie Jeanne, zunächst Orléans aus der Hand der Engländer zu befreien und dann den Dauphin, den französischen Thronfolger, Charles VII. (1403-1461) zu seiner Salbung nach Reims zu führen. Im Mai 1428 machte sie sich also auf nach Vaucouleurs, wo ein königlicher Hauptmann stationiert war. Dieser stattete sie, wenn auch nicht völlig überzeugt, mit Waffen und einigen Männern aus und schickte sie an den Hof Charles‘ VII. nach Chinon.
Dort wurde die junge Frau zunächst mehrere Tage von Klerikern über die Stimmen und ihren Auftrag befragt, um sicher zu gehen, dass sie nicht vom Teufel besessen war. Zudem nahmen Frauen aus der königlichen Familie eine Prüfung ihrer Jungfräulichkeit vor, die zum Ergebnis hatte, dass Jeanne eine virgo intacta (eine unberührte Jungfrau) war. Schlussendlich wurde verkündet, dass ein Zweifeln an der jungen Frau bedeute, „sich dem Heiligen Geist zu widersetzen und der Hilfe Gottes unwürdig zu werden.“ (Zitiert nach: Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der Jungfrau von Orleans, München 2006, 2. Auflage, S. 36.) Charles VII. stattete sie mit Waffen und Männern aus und sie machte sich auf, Orléans zu belagern und so von den Engländern zu befreien. Dennoch misstrauten viele Ritter und hohe Herren der Jungfrau und waren nicht bereit, sich ihr in militärischen Fragen bedingungslos zu unterwerfen. Trotzdem gelang es ihr aber, diese, sei es durch ihren Elan oder aber durch den Rückhalt, den sie in der einfachen Bevölkerung genoss, zum Nachgeben zu bewegen. Am 8. Mai 1429 war die Belagerung gewonnen und die englischen Besatzer zogen ab. Damit hatte Jeanne scheinbar bewiesen, dass Gott auf ihrer Seite stand und war so zu einer Berühmtheit geworden.
Nun sollte der zweite Teil ihres göttlichen Auftrags erfüllt werden: die Salbung des Dauphin in Reims. Auf dem Weg dorthin wurden weitere Schlachten geschlagen, aus denen Jeanne und die königliche Partei als Sieger hervorgingen. Dabei stellte sie sich immer mehr als geschickte Heerführerin heraus. Nachdem im Juli 1429 mit Troyes eine englisch-burgundische Hochburg genommen war, konnte endlich der Zug nach Reims folgen. Die Salbung des Königs erfolgte am 17. Juli 1492 in der Kathedrale der Stadt und Jeanne d’Arc selbst hatte einen Platz direkt am Hochaltar.

(Jeanne d’Arc bei der Krönung Charles‘ VII. (1429) in Reims, Historiengemälde von Dominique Ingres (1854), http://de.wikipedia.org/wiki/Jeanne_d%E2%80%99Arc#/media/File:Ingres_coronation_charles_vii.jpg)

Doch sah Jeanne ihren Auftrag mit der erfolgten Königskrönung wohl keinesfalls als beendet an. Vielmehr strebte sie die Befreiung ganz Frankreichs von den Engländern an und traf schon wenige Tage nach der Salbungszeremonie Vorbereitungen für einen weiteren Feldzug. Die nächste Etappe der Zurückeroberung sollte Paris sein. Doch es kam zu Unstimmigkeiten zwischen der Jungfrau und dem König, der Verhandlungen mit Burgund anstelle weiterer Kämpfe anstrebte. Anstatt nach Paris zu ziehen, entschied dieser sich nun nämlich dazu, sich nach Compiègne aufzumachen, dessen Bürger ihm den Gehorsam leisten wollten. Jeanne wollte jedoch nicht länger mit dem Marsch nach Paris warten und fühlte sich möglicherweise auch von Charles VII. verraten. Deshalb brach sie auf eigene Faust auf und begann am 8. September, dem Feiertag Mariä Geburt, den Angriff auf die Stadt, obwohl es ein schweres Vergehen war, an diesem Tag zu kämpfen. Die Erstürmung von Paris scheiterte, die Jungfrau wurde verletzt und erlitt ihre erste große Niederlage. Dies war nur der Beginn ihres Abstieges.
Der Glaube an Jeannes Siegessicherheit begann vor allem unter den Heerführern und am Hof zu schwinden, es wurde ein Waffenstillstand zwischen Charles VII. und Burgund vereinbart und es kam zu Verhandlungen an denen auch die Engländer teilnahmen. Währenddessen sollte die Jungfrau mit einem kleinen Königsheer einige Städte von den Engländern befreien, was ihr jedoch nicht vollständig gelang. Dennoch wurden sie und ihre Familie Ende des Jahres 1429 in den Adelsstand erhoben. Zwar bröckelte der Waffenstillstand zu Beginn des Jahres 1430, aber dennoch führte die Frage, ob man eine militärische Entscheidung oder einen Frieden auf dem Verhandlungsweg herbeiführen sollte, zu andauerndem Dissens zwischen Charles VII. und Jeanne. Wahrscheinlich verließ sie, des Abwartens überdrüssig, vielleicht auch nach einem Zerwürfnis, den Hof und begab sich erneut auf einen mehr oder weniger erfolgreichen Eroberungszug. Mitte Mai 1430 zog sie in Compiègne ein, das von Angriffen englischer Truppen bedroht war und wurde dort bei einem Ausfall aus der Stadt am 23. Mai von der burgundischen Partei gefangen genommen. Damit endete die militärische Karriere der Jeanne d’Arc und man begann mit den Vorbereitungen eines Ketzerei-Prozesses gegen sie. Dieser, Jeannes Tod und ihre spätere Rehabilitierung sollen im zweiten Teil dieser kurz!-Reihe betrachtet werden.


Literatur:
Krumeich, Gerd, Jeanne d’Arc. Die Geschichte der Jungfrau von Orleans, München 2006, 2. Auflage.
Krumeich, Gerd, Verdammung und Rehabilitierung von Jeanne d’Arc (1431/1456). Der Prozeß und seine Wirkungsgeschichte, in: Macht und Recht. Große Prozesse in der Geschichte, hg. v. Alexander Demandt, München 1990.
Scheffel, Helmut, Vom Schlachtfeld zur Scheiterhaufen. Der Prozess der Jeanne d’Arc, in: Große Prozesse. Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte, hg. v. Uwe Schultz, München 1996, S. 103-113.

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