Sonntag, 13. November 2016

Der Illuminatenorden

Das 18. Jahrhundert war nicht nur das Jahrhundert der Aufklärung, sondern auch das Jahrhundert der Geheimbünde. Der Illuminatenordnen, um den es heute bei uns gehen soll, steht dabei besonders in Verbindung mit zahlreichen Gerüchten und Legenden. Diese haben ihren Ursprung vor allem in der Thematisierung des Ordens in Literatur und Film, beispielsweise im Roman Das Foucaultsche Pendel von Umberto Eco (1988) oder in Dan Browns Illuminati (2003), der 2009 überaus erfolgreich verfilmt wurde. Unser neuer Artikel möchte sich jedoch weniger mit den Verschwörungstheorien, die den Orden umranken, beschäftigen, sondern vielmehr die Geschichte und Ziele der Geheimgesellschaft vorstellen. 


Als Vorgänger des Illuminatenordens gilt der am 1. Mai 1776 gegründete Bund der Perfektibilisten, dessen Name bereits die weltverbessernden Ziele des Ordens andeutet. Adam Weishaupt (1748-1830) – zu diesem Zeitpunkt Professor für Kirchenrecht und praktische Philosophie in Ingolstadt – wollte sich mit dem Orden einen Zufluchtsort im jesuitisch geprägten universitären Klima Ingolstadts schaffen, dem er sich nicht zugehörig fühlte. Der Orden ähnelte zunächst einem Lesezirkel, dessen Mitglieder – hauptsächlich Studenten von Weishaupt – im geschützten Raum des Bundes antiklerikale Literatur lasen und die Inhalte der Aufklärung diskutierten. Zu Beginn hatte der Orden kaum mehr als 20 Mitglieder und war wenig einflussreich. Deshalb strebte Weishaupt 1778 eine Neuorganisation der Gesellschaft an, in deren Verlauf man sich für eine Neubenennung entschied. Zunächst nannten sich die Mitglieder Bund der Illuminaten (von lat. illuminati, die Erleuchteten), ab 1780 dann Illuminatenorden. Zu diesem Zeitpunkt gehörten bereits 60 Mitglieder dem Kreis an.    

                                              Adam Weishaupt
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                                                Adolph Freiherr von Knigge
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0d/Knigge_Freiherr.jpg 

Der Orden verstand sich als den Zielen der Aufklärung verpflichtet und sein Handeln kann durchaus als politisch motiviert verstanden werden. Es ging vor allem um die Erlangung von Freiheit, welche durch Bildung und Sittlichkeit erreicht werden sollte. Das vom Orden imaginierte „Sittenregiment“ sollte ohne Fürsten und kirchliche Institutionen auskommen, vielmehr sollten die Menschen lernen, sich selbst zu beherrschen und in Gleichheit und Freiheit zu leben. Der Weg zu einer herrschaftsfreien Welt sollte dabei ohne die Ausübung von Gewalt beschritten werden. Vielmehr war es das Ziel des Ordens, Schlüsselpositionen in den Regierungen heimlich mit Ordensmitgliedern zu besetzen, damit diese an der friedlichen Abschaffung des Absolutismus mitwirken konnten. Konkrete Handlungsanweisungen dazu finden sich hingegen kaum in den Schriften des Ordens.

Ebenfalls 1780 konnte Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge (1752-1796) für den Orden geworben werden, wodurch ein erneuter Prozess der Reorganisation in Gang gesetzt wurde und die Blütezeit des Ordens begann. Knigge setzte sich für eine Umgestaltung der Ordensstruktur ein, die den zahlreich existierenden Freimaurerlogen der Zeit ähneln sollte: Er erschuf verschiedene Ordensgrade mit Initiationsriten, die mit der Übergabe bestimmter Ordensgeheimnisse einhergingen, welche es um jeden Preis zu wahren galt. Des Weiteren erhielt jedes neue Mitglied einen Geheimnamen – Weishaupt nannte sich beispielsweise Spartacus, Knigge wurde zu Philo. Die Ordensnamen klammerten bewusst den Stand und den Beruf ihrer Träger aus, um ein Gefühl der Gleichheit unter den Mitgliedern zu schaffen. Die Hierarchie, die zwischen den einzelnen Graden bestand, wurde dadurch jedoch keinesfalls aufgelöst. Vielmehr hatte jedes Mitglied bei Aufnahme in die Gesellschaft „ewiges Stillschweigen in unverbrüchlicher Treue und Gehorsam allen Oberen und den Satzungen des Ordens“ zu schwören. Weiterhin erhielten die Mitglieder monatlich Texte, die es zu lesen und in einem zu führenden Tagebuch zu reflektieren galt, das wiederum von einem höhergestellten Mitglied kontrolliert wurde. Innerhalb des Ordens existierte also durchaus ein System von Herrschaft, obwohl nach außen hin die Abschaffung aller herrschaftlicher Strukturen gefordert wurde.   

Die Eule der Minerva al Symbol des Ordens, Deckblatt der Schrift von Adam Weishaupt, 1788. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/16/Minerval_insignia.png

Weishaupt und Knigge bildeten dabei die Spitze des Ordens, die in Anlehnung an den obersten Rat im antiken Griechenland Areopag genannt wurde, und bestimmten maßgeblich jegliches Handeln der Geheimgesellschaft. Die Zahl der Mitglieder wuchs zu dieser Zeit kontinuierlich, da es den Illuminaten vor allem gelang, Freimaurer anzuwerben und für ihre Ziele zu begeistern. In der Hochphase zu Beginn der 1780er Jahre verfügte der Orden über mehr als 1200 Mitglieder sowohl im Reich, hier vor allem in den Gebieten des heutigen Thüringen und Bayern, als auch teilweise im Ausland.

Das vor allem auf das Wirken Knigges zurückgehende Wachstum wurde von Weishaupt jedoch schon bald nicht mehr nur positiv betrachtet. Er bemängelte eine willkürliche Auswahl der Mitglieder ohne vorhergegangene Prüfung auf Tauglichkeit für die Ziele des Ordens. Mittlerweile gehörten ranghohe Personen des Reiches wie beispielsweise die Herzöge Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1745-1804) und Karl August von Sachsen-Weimar-Eisenach (1757-1828) dem Orden. In Funktion eines Geheimen Rates des Letzteren war außerdem Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) Mitglied geworden. Weishaupt zweifelte daran, ob er diesen Mitgliedern vertrauen konnte oder ob sie vielmehr die Tätigkeiten der Geheimgesellschaft beobachten, unterwandern und wenn nötig verbieten wollten. Knigge wiederum fühlte sich für seine Leistungen nicht ausreichend wertgeschätzt und drohte in Briefen mit dem Verrat des Ordens an die Freimaurer und die Professorenkollegen Weishaupts. 1784 kam es schließlich zum Bruch zwischen Weishaupt und Knigge: Ein extra einberufenes Schiedsgericht hatte die Bildung eines neuen Areopags gefordert, dem weder Knigge noch Weishaupt angehören sollten. Knigge musste jedoch einsehen, dass der Einfluss des Ordensgründers seinen eigenen dennoch stets überragen würde, weshalb er die Illuminaten im Juli 1784 endgültig verließ.

In der Zwischenzeit waren jedoch die internen Streitigkeiten zusehends nach außen gedrungen und auch andere Geheimbünde hatten sich durch ihre Tätigkeiten und Nähe zur Aufklärung verdächtig gemacht. Aus diesem Grund verbot der bayerische Kurfürst Ende Juni 1784 alle „Communitäten, Gesellschaften und Verbindungen“. Ein Jahr später wurden Illuminaten und Freimaurer explizit unter dem Vorwurf des Landesverrats und der Religionsfeindlichkeit verboten. In der Folge des erlassenen Edikts kam es zu Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Landesverweise für Mitglieder, die im Zuge der Untersuchungen enttarnt worden waren. In diesem Zusammenhang wurden auch gefundene Ordensschriften veröffentlicht, die unter anderem Giftrezepte beinhalteten und somit weiteren Anlass zu Spekulationen über das geheimnisvolle Wirken des Ordens lieferten. Auch Weishaupt geriet unter Verdacht ein Mitglied – nicht jedoch der Ordensgründer – zu sein. Er verlor seine Professur und floh zunächst nach Regensburg und später nach Gotha, wo er den Schutz des Herzogs genoss.

Der Illuminatenorden unterbrach seine Arbeit zunächst und versuchte anschließend heimlich weiterzuwirken, jedoch ohne großen Erfolg. Die Gesetzgebung gegen Geheimgesellschaften wurde kontinuierlich verschärft und seit 1787 stand beispielsweise der Versuch der Rekrutierung neuer Mitglieder unter Todesstrafe. Seit 1790 galt der Orden offiziell als zerschlagen, inoffiziell gab es jedoch auch weiterhin Gerüchte und Theorien über das Wirken des Ordens und die Beteiligung an weltbewegenden Ereignissen wie der Französischen Revolution. Bis heute halten sich Spekulationen, die Illuminaten seien nach wie vor im Untergrund aktiv, würden die Abschaffung der katholischen Kirche planen und letztlich die Übernahme der Weltherrschaft vorbereiten.

Zum Weiterlesen:
Agethen, Manfred: Geheimbund und Utopie. Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung, München 1987.
Gregory, Stephan: Wissen und Geheimnis. Das Experiment des Illuminatenordens, Frankfurt am Main 2009.
Reinalter, Helmut (Hg.): Der Illuminatenorden (1776–1785/87). Ein politischer Geheimbund der Aufklärungszeit, Frankfurt am Main 1997.

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