Sonntag, 11. Februar 2018

Die Entwicklung der Guillotine

Inmitten der Französischen Revolution, am 20. März 1792, erließ die Französische Nationalversammlung ein Dekret, wonach alle zukünftigen Hinrichtungen in Frankreich mit der Guillotine vollstreckt werden sollten. Zum einen sollte so eine schnellere Abfolge von Enthauptungen möglich werden, zum anderen galt der Tod unter dem Fallbeil als nahezu schmerzfrei. Unser neuester Artikel beschäftigt sich mit der Entwicklung der Guillotine und ihren Fürsprechern, den Vorläufern dieser Tötungsmaschine sowie den Gründen und Folgen ihrer Einführung. 


Der Mechanismus der Tötung durch ein Fallbeil wurde keineswegs erst im Zuge der Französischen Revolution erfunden. Vielmehr stammen die ersten Berichte über den vereinzelten Einsatz von Fallbeilen bereits aus dem 12. und 13. Jahrhundert und können geographisch in den Niederlanden, Italien und England verortet werden. In Halifax kam beispielsweise ab 1280 das sogenannte Halifax gibbet zur Anwendung. Aus diesem Fallbeil entwickelte sich wiederum die Scottish Maiden, die in Schottland zwischen 1564 und 1708 bei etwa 150 Hinrichtungen zum Einsatz kam und die unter König Jakob I. (1566-1625) eingeführt worden war. Sie bestand aus einem circa drei Meter hohen dreiarmigen Aufbau aus Eichenholz und einer waagerechten mehr als 30 Zentimeter langen Eisenklinge. Für das Alte Reich sprechen Quellen von Fallbeilkonstruktionen, die unter anderem als Hobel oder Welsche Falle bezeichnet wurden. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts nehmen die Berichte über solche Formen der Hinrichtung jedoch interessanterweise ab und im Strafvollzug wurde vermehrt auf andere Methoden zur Vollstreckung eines Todesurteils zurückgegriffen. 

The Scottish Maiden, Museum of Scotland, Edinburgh
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Mit dem Beginn der Französischen Revolution und der Zunahme von öffentlichen Hinrichtungen, die zumeist durch den offiziellen Henker von Paris, Charles Henri Sanson (1739-1806), mit dem Schwert vorgenommen wurden, häufte sich die Kritik an dem Ablauf und der Art und Weise der Tötungen. Sanson selbst setzte sich für eine mechanische Art der Enthauptung ein und argumentierte, dass bei einem missglückten Schwertschlag der Delinquent enorme Schmerzen zu erleiden habe, der Henker nach mehreren Hinrichtungen körperlich ermüde, das Richtschwert sich schnell abnütze und somit hohe Kosten verursacht würden. Unterstützt wurde er in seiner Argumentation schließlich durch den französischen Arzt und späteren ungewollten Namensgeber der Guillotine Joseph-Ignace Guillotin (1738-1814). Guillotin hatte in Reims und Paris Medizin studiert und wurde dort 1770 an der Sorbonne promoviert. Von 1778 bis 1783 war er hier an der medizinischen Fakultät beschäftigt und lehrte Anatomie, Physiologie und Pathologie. Aufgrund seines großen Interesses an Politik und den aktuellen Geschehnissen sowie seinen guten Kontakten zu zahlreichen Vertretern der Aufklärung – darunter Voltaire und Condorcet – wurde er am 15. Mai 1789 als Mitglied in die Assemblée Constituante (verfassungsgebende Nationalversammlung) gewählt. Aus dieser Position heraus forderte er am 10. Oktober 1789, wie Sanson, die Einführung eines mechanischen Enthauptungsgeräts und gleichzeitig die Abschaffung aller anderen von ihm als grausam eingestuften Hinrichtungsarten wie beispielsweise den Tod durch den Strang. Er stellte sich eine Maschine vor, die „[…] den Kopf im Handumdrehen entfernt und das Opfer nichts anderes spüren lässt als ein Gefühl erfrischender Kühle.“ Darüber hinaus argumentierte er, dass ausgehend von den Menschen- und Bürgerrechten, die am 26. August 1789 erklärt worden waren, allen Menschen im Fall einer Verurteilung zum Tode unabhängig von ihrem Stand eine gleiche und dabei möglichst humane und schnelle Form der Vollstreckung zustehen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur Adeligen die als edel geltende Hinrichtungssart der Enthauptung zugestanden worden.

Portrait von Joseph-Ignace Guillotin
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Zunächst fanden die Forderungen Sansons und Guillotins kaum Fürsprecher und sie gingen unter in einer Diskussion über die generelle Abschaffung der Todesstrafe. Nachdem sich diese Option nicht hatte durchsetzen können, wurde schließlich zu Beginn des Jahres 1792 der königliche Leibarzt Antoine Louis (1723-1792) damit beauftragt, einen Mechanismus für eine einheitliche Form der Enthauptung zu entwickeln. Er orientierte sich am Vorbild des Fallbeils von Halifax, legte seine Ideen für eine Weiterentwicklung vor und kam im März des gleichen Jahres zu dem Schluss: „Eine solche, niemals versagende Maschine wird sich leicht herstellen lassen.“ Der Entwurf Louis‘ stieß auf Zustimmung, weshalb der deutsche Handwerker und Klavierbauer Tobias Schmidt, der eine Werkstatt in Paris betrieb, mit der Herstellung eines Prototyps der neuartigen Enthauptungsmaschine beauftragt wurde. Ihr Funktionieren wurde zunächst an lebendigen Schafen und schließlich am 15. April 1792 in Anwesenheit von Louis und Guillotin an drei menschlichen Leichnamen getestet. Aufgrund der hierbei gemachten Erfahrungen verzichtete man auf eine gerade Klinge, wie sie noch bei der Scottish Maiden verwendet worden war. Auch eine Klinge in Halbmondform erwies sich als nicht effektiv genug, um den Hals des Verurteilten in einem Mal zu durchtrennen. Letztlich entschied man sich für eine abgeschrägte Schneide, wodurch bei der Hinrichtung vielmehr ein Schneide- als ein Abtrennungsvorgang in Gang gesetzt wurde.

Da der Konstruktion von Schmidt der Entwurf von Antoine Louis zugrunde lag, wurde die entwickelte Maschine zunächst Louison oder Louisette genannt. Die zeitgenössische Presse benutzte jedoch schon früh die Bezeichnung Guillotine, die sich schließlich auch durchsetzen sollte. Aus diesem Grund wird bis heute der Arzt Guillotin, der sich ‚nur‘ allgemein für eine andere und humanere Form der Hinrichtung ausgesprochen und in diesem Zusammenhang die Einführung der Guillotine begrüßt hatte, vielmehr mit der Hinrichtungsmaschine in Verbindung gebracht, als der eigentliche Weiterentwickler Antoine Louis. Guillotin bedauerte diese Entwicklung zutiefst und kämpfte vergeblich um den Ruf seines Namens. Nach seinem Tod im Jahre 1814 versuchte seine Familie bei der Regierung offiziell eine Änderung des Namens der Maschine zu veranlassen. Doch auch dieser Versuch scheiterte, weshalb seine Familienmitglieder schließlich ihren Familiennamen ändern ließen. Zeitgenössische Bezeichnungen, die ebenso im Umfeld der Revolution entstanden, waren la raccourciseuse (die Kurzmacherin) und le rasoir national (das nationale Rasiermesser).

Erstmals kam die neu entwickelte Guillotine am 25. April 1792 in Paris zum Einsatz. Vor den Augen einer interessierten Menge wurde der mehrfach vorbestrafte Nicolas Jacques Pelletier vom Henker Sanson, der den Auslösemechanismus für die Schneide betätigte, hingerichtet. Die neue Form der Enthauptung wurde auch in den Revolutionsmedien besprochen. So beschrieb die Chronique de Paris das Ereignis folgendermaßen: „Gestern, um halb vier Uhr nachmittags, wurde zum ersten Mal die Maschine zum Einsatz gebracht, die dazu bestimmt ist, den zum Tode verurteilten Kriminellen den Kopf abzuschneiden. […] Die Neuartigkeit der Bestrafung hatte dazu geführt, dass die Menge derjenigen beträchtlich angeschwollen war, die ein barbarisches Mitleid zu solchen traurigen Schauspielen führt. Diese Maschine ist den anderen Bestrafungsarten zu Recht vorgezogen worden: Sie befleckt nicht die Hand des Menschen mit einem Mord an Seinesgleichen, und die Geschwindigkeit, mit der sie den Schuldigen trifft, entspricht eher dem Geist des Gesetzes, das oft streng sein kann, aber niemals grausam sein darf.“ Gleichzeitig soll im Zuge dieser schnellen und reibungslos verlaufenden Enthauptung ein spöttisches Lied entstanden sein, in welchem die ZuschauerInnen die Rückkehr des ihnen vertrauten Galgen forderten, da diese Art der Hinrichtung mehr Unterhaltungswert geboten hätte: „Rends-moi ma potence en bois, / Rends-moi ma potence!“. Doch die Guillotine blieb in Betrieb und brachte vor allem während der Phase des Terreurs von Juni 1793 bis Ende Juli 1794 einer Vielzahl von Menschen den Tod. So wurden unter anderem die Frauenrechtlerin Olympe de Gouges, die Revolutionäre Georges Danton und Maximilien de Robespierre und schließlich sogar das ehemalige Königspaar Ludwig XVI. und Marie Antoinette guillotiniert. 

Hinrichtung von Marie Antoinette am 16. Oktober 1793
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/43/Ex%C3%A9cution_de_Marie_Antoinette_le_16_octobre_1793.jpg

In dieser Zeit kam es auch zu ersten Diskussionen darüber, ob der Tod unter der Guillotine wirklich so schmerzfrei wie zunächst angenommen sei. Durch die Durchtrennung der Halswirbelsäule im obersten Teil tritt zwar nahezu schlagartig ein Zustand der Bewusstlosigkeit ein, dennoch mehrten sich Berichte und Gerüchte von Enthauptungen durch die Guillotine, bei denen der Kopf des Hingerichteten noch Reaktionen gezeigt und sogar zu sprechen versucht und auf Worte der Zuschauer reagiert habe. Auch soll die Guillotine den Hals von Ludwig XVI. nicht im ersten Versuch vollständig durchtrennt haben.

Trotz dieser Berichte, neuen Forschungen zum Tod unter der Guillotine und einer immer lauter werdenden Kritik an der Todesstrafe im Allgemeinen, blieb die Guillotine in Frankreich noch jahrzehntelang im Einsatz und wurde in ihrer Technik stetig weiterentwickelt. 1939 fand die letzte öffentliche Hinrichtung statt, am 10. September 1977 wurde schließlich der letzte Verurteilte in Marseille durch die Guillotine hingerichtet. Auch in Deutschland wurden Todesurteile mit der Guillotine vollstreckt, sie kam hier jedoch längst nicht so flächendeckend zum Einsatz wie in Frankreich.

Zum Weiterlesen:
Arasse, Daniel: Die Guillotine. Die Macht der Maschine und das Schauspiel der Gerechtigkeit, Reinbek 1988.
Martschukat, Jürgen: Ein schneller Schnitt, ein sanfter Tod!? Die Guillotine als Symbol der Aufklärung, in: Anne Conrad u. a. (Hgg.): Das Volk im Visier der Aufklärung, Münster 1998, S. 121-142.
Schlieper, Andreas: Das aufgeklärte Töten. Die Geschichte der Guillotine, Berlin 2008. 

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